Konzepte
Im folgenden habe ich die Kern-Konzepte meiner Arbeit zusammengefasst. Es handelt sich dabei um definierende Absätze, die ich unverändert aus meiner Arbeit rauskopiert habe.
Für die Quellen werfen Sie gerne einen Blick in die Arbeit selbst. Diese finden Sie als Download auf der Seite Ergebnisse.
Effizienz und Mußezeit
Eine Folge gesellschaftlicher Zeitverhältnisse ist der Mangel an Ruhe-, Frei- und Mußezeiten (Rosa 2013). Quasi hegemonial durchdringen Effizienz und Produktivität als Ideale die zeitliche Strukturierung von Arbeits- und anderen Tagesabläufen. Zeitmanagement-Ratgeber empfehlen minutiöse Tagespläne und folgen dabei einer Effizienzmaximierungs-Logik, die mitunter Teil des Problems sein dürfte (so z.B. Knoblauch et al. 2015). Auch Freizeit soll so effizient wie möglich genutzt werden, um anschließend wieder möglichst produktiv sein zu können. In einer Studie zum Thema Burn-Out unter Freizeit-Organisator:innen geben die Autor:innen an, mit ihren Erkenntnissen zur Erhöhung der Produktivität und Effizienz des Sektors betragen zu wollen (Svagzdiene et al. 2022). Dabei sind Teilaspekte der zeitlichen Gesellschaftsstrukturierung nicht unumkämpft: Die Teilzeitarbeit bzw. die Verringerung regulärer Arbeitszeiten ist eines der prominenteren Themen der „Zeitpolitik“, das nicht nur in Deutschland Eingang in die öffentliche Diskussion gefunden hat (Ali Hussen 2023). Produktivität oder Effizienz werden dabei als Argument sowohl für als auch gegen eine Verringerung der Arbeitszeiten ins Feld geführt.
Gleichzeitig weisen Autor:innen immer wieder auf die gesellschaftliche und demokratische Bedeutung von Mußeräumen und Mußezeit hin (e.g. Les Convivialistes 2014, Stiftung Mitarbeit 2023, Bergmann 2015, Riedl et al. in: Hubert et al. 2021). Riedl et al. in: Hubert et al. (2021) verstehen Muße dabei als Freiheit von unmittelbaren Leistungserwartungen, als eine beabsichtigte Ziellosigkeit. Mußezeit wäre dementsprechend Zeit, die abseits eines Produktivitätszwangs verbracht wird, deswegen aber nicht unproduktiv sein muss. Im Gegenteil, sie führen an, dass sich gerade in den Freiräumen der Mußezeit eine produktive Kreativität entwickeln und entfalten könne, sofern sie eben nicht erzwungen wird.
Kollektive Agency und Gruppierung
Die folgenden Punkte sind als Eckpfeiler [eines Verständnisses kollektiver Agency] zu verstehen, die als Orientierungspunkte für die folgende Operationalisierung und Erhebung dienen. Sie stellen keine abgeschlossene originäre Definition [kollektiver Agency] dar.
1. Kollektive Agency ist relational. Agency speist sich für Gruppen wie für Individuen aus einem sozialen Netzwerk in einem sozialen Setting.
2. Kollektive Agency ist prozessual. Sie ist kein Zustand, keine Eigenschaft, sondern ein andauernder sozialer Prozess.
3. Wesentliches Element kollektiver Agency ist die stetige diskursive Herstellung des Kollektivs als Akteur:in durch seine Gegenüber und vor allem die Mitglieder des Kollektivs selbst.
[…] Damit eine Gruppe aber im eigenen Namen handeln und aktiv ihre organisatorische Umgebung gestalten kann, müssen ihre Mitglieder selbst sie diskursiv als Akteurin produzieren und reproduzieren – also sich gruppieren. Eine solche Reproduktion kann durch direkte sprachliche Bezüge geschehen („Wir als Gruppe…“, „Es ist im Interesse der Gruppe…“) oder aber durch Handlungen, die sich auf die Position der Gruppe in ihrem organisatorischen Setting beziehen; beispielsweise, wenn Mitglieder der Gruppe im Namen der Gruppe zur Presse sprechen oder bei den Organisator:innen weitere Mitspracherechte für die Gruppe einfordern. „Agentische“ – im Sinne von akteurshafte – Gruppen sind damit Gruppen, die durch Handlungen auf sich als Gruppe Bezug nehmen, diese aus sich heraus als Akteurin konstituieren und im Weiteren bis zu ihrer Auflösung kontinuierlich reproduzieren.
Zeitlichkeit
[Macht-] Strukturen, die räumlich Ausdruck finden und über den Raum konstruiert, reproduziert, legitimiert oder verstärkt werden, haben oft auch eine zeitliche Wirkungsdimension. So müssen Menschen je nach Wohnort unterschiedliche Arbeits- und Einkaufswege und entsprechende Wegzeiten in Kauf nehmen; Zeit, die an anderer Stelle fehlt. Aber nicht nur über die Interaktion mit dem Raum schlagen sich Gesellschaftsstrukturen zeitlich nieder. Auch Zeitlichkeit für sich weist Strukturierungseigenschaften auf: Lohnunterschiede – egal wie diese begründet werden – weisen der Arbeitszeit zweier Menschen unterschiedlichen Geldwert zu und bestimmen darüber, wie viel Zeit ein Mensch mit Lohnarbeit verbringen muss. Auch die Legitimierung beispielsweise von Verteilungsunterschieden geschieht unter anderem zeitlich: Frühzeitigkeit geht ganz selbstverständlich mit Privilegien der größeren Auswahl und dem vorrangigen Konsumrecht einher, wie nicht nur das Sprichwort „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“ verdeutlicht. [Hartmut] Rosa (2013) schreibt dazu zusammenfassend, dass Zeitstrukturen eine zentrale Verknüpfung von sozialer Makro- und Mikroebene darstellen. Zeitliche Imperative, explizit wie implizit, strukturieren als zeitliche Normen und Regeln Einstellungen und Praktiken in allen Lebensbereichen.